Zwei Jahre lang führte der Verein zahlreiche Gespräche und klärte auf, bis im Oktober 1994 das Frauen- und Kinderschutzhaus eröffnet werden konnte.
Später kamen die ambulante Beratungsstelle, die Anschlusswohnung und die Nachsorgearbeit für die Frauen dazu. Vier hauptamtliche Mitarbeiterinnen hat das Frauenhaus, vom Vereinsvorstand ehrenamtlich unterstützt. Unterschiedlichste Aktionen holen die häusliche Gewalt und die Gewalt gegen Frauen und Mädchen aus der Tabuzone ins öffentliche Bewusstsein, wie Jule Schmieder berichtete. Häusliche Gewalt sei ein sehr subtiles Verbrechen, das von der Person ausgehe, von der man Achtung und Zuneigung erwarte. Schuld- und Schamgefühle erschwerten es den Frauen oft, Hilfe zu holen. Kinder seien immer davon mit betroffen, spürten die Erniedrigung der Mutter, erlebten die offene körperliche und sexuelle Gewalt. „So werden sie verunsichert und in ihren Entwicklungsmöglichkeiten geschädigt.“
Gewalt an Frauen komme in allen sozialen Schichten, in jeder Alters- und Berufsgruppe von, betonte die langjährige Mitarbeiterin des Tuttlinger Frauenhauses. Und sie mache körperlich und psychisch krank, oder ende gar tödlich: „Jeden dritten Tag wird in Deutschland eine Frau von ihrem Partner oder Ex-Partner ermordet.“ Jule Schmieder beschrieb auch die unterschiedlichsten Formen von Gewalt vom Begrapschen bis zum Cybermobbing und deren Folgen, die in Deutschland jährlich etwa 15 Milliarden Euro kosten.
In Tuttlingen wurde seit der Eröffnung 1038 Frauen mit 1156 Kindern Schutz geboten, mit dabei: Angst, Aufregung, zeitlicher Druck und die Konfrontation mit einer völlig neuen Lebenssituation, mit unterschiedlichen Menschen und Kulturen. Das kann belastend, aber auch inspirierend sein. „Wir leisten Hilfe zur Selbsthilfe“, so die Sozialpädagogin. „Oft erleben die Frauen hier erstmals, dass Konflikte in ruhiger Atmosphäre und wertschätzend gelöst werden können.“ Besser geworden ist die Situation in all den Jahren nicht, im vergangenen Jahr war das Frauenhaus zu 94 Prozent belegt, die Mehrzahl der betroffenen Frauen waren Deutsche, die Mehrzahl der gewalttätigen Partner ebenfalls. Eine Frau musste gar in ein anderes Frauenhaus verlegt werden, weil die Situation in Tuttlingen zu gefährlich wurde.
Im Anschluss an den beeindruckenden Vortrag blickten die Tuttlinger Grünen auf die letzten Wochen zurück, darunter die Landesdelegiertenkonferenz in Weingarten, bei der Jens Metzger mit überwältigender Mehrheit in den Parteirat gewählt wurde.
Und machten sich dann an die Planung des Kommunal- und Europawahlkampfs, zu dem einige Promis erwartet werden: Agnieszka Brugger voraussichtlich am 24. Januar, Armin Grau, der sich am 5. März der Krankennhaus- und Arztversorgung auf dem Land widmen wird, und am 24. April wird nach derzeitiger Planung wird Gesundheitsminister Manne Lucha nach Tuttlingen kommen. Außerdem ist Ryyan Alshebl eingeladen, er floh vor dem Bürgerkrieg in Syrien und wurde jetzt zum Bürgermeister der schwäbischen Gemeinde Ostelsheim gewählt. Im Mittelpunkt des Wahlkampfs sollen die Themen Migration, Menschenrechte, Mobilität und Biodiversität stehen.