Wie dringend hier Handlungsbedarf ist, zeigte Hermann auf: Das 1,5 Grad-Ziel hat Baden-Württemberg längst überschritten, „wir müssen von dieser zerstörerischen Entwicklung weg und Möglichkeiten finden, wie wir trotzdem den Wohlstand halten können.“ Hermann stellte klar: Unser Verkehrssystem funktioniert nur, weil 90 Prozent der Fahrzeuge stehen und nur zehn Prozent unterwegs sind. Diese heutige Situation basiere auf der Tatsache, „dass wir uns über Jahrzehnte ein ineffektives System geleistet haben.“
Die Verkehrswende in Baden-Württemberg bedeute, dass 55 Prozent des derzeitigen CO2-Ausstoßes eingespart werden müssen, und das in erster Linie durch eine Mobilitätswende. Hier investiere das Land, zuständig für den Nahverkehr auf der Schiene, eine Milliarde Euro in Nahverkehrszüge. Für den lokalen Nahverkehr auf der Straße sind allerdings die Städte und Kreise zuständig. Das Ziel sei, gemeinsam bis 2030 einen Halbstundentakt hinzukriegen, kurzfristiges Ziel ist der Stundentakt im ganzen Land. Hermann stellte klar, dass im ländlichen Raum auch deshalb so oft das Auto genommen werde, weil es einfach sei und überall Parkplätze zur Verfügung stünden. In Stuttgart käme niemand auf die Idee, für einen Kilometer das Auto zu nehmen, um beispielsweise vom Bahnhof zum Neuen Schloss zu fahren. Beim Shoppen nehme man den Kilometer zu Fuß gerne in Kauf.
Hermanns Appell: Die Zentren von Städten und Dörfern sollten von Parkplätzen für Autos zu lebenswerten und lebendigen Aufenthaltsräumen umfunktioniert werden, „das ist dann der positive Nebeneffekt der Verkehrswende.“ Von E-Fuels für Autos hält Hermann wenig, die würden für LKWs, Schiffen und Flugzeuge gebraucht, die ja auch mit weniger CO2 unterwegs sein sollen. Klar sei, dass man im ländlichen Raum noch lange nicht aufs Auto verzichten könne. Hier spiele dann eben das Elektroauto eine wichtige Rolle, darum werde nun die Ladestruktur ausgebaut.
Der neue Verbundtarif Move der drei Landkreise Tuttlingen, Rottweil und Schwarzwald-Baar sei ein guter Schritt, das anvisierte On-Demand-System ein weiterer, um die Leute in den ÖPNV zu bringen, so Guse und Sattelmeyer. Kritik übte Rolf Schwenk, Nahverkehrsexperte der Grünen im Regionalverband: Trotz des technischen Fortschritts seien die Züge in den letzten 30 Jahren nicht schneller geworden. Das liege, so der Minister, auch daran, dass die Haltezeiten verlängert wurden, um auch Menschen mit Gehbehinderung den Zustieg zu ermöglichen, Rollstuhlfahrer einsteigen könnten.
Ein weiteres Problem sprach Busunternehmer Jochen Klaiber an: Schon jetzt fehlten Fachkräfte, Busfahrer, da frage er sich schon, wie mehr Busverkehr in Zukunft gestemmt werden könnte. Hier werde autonomes Fahren ein Teil der Lösung sein, so der Verkehrsminister. Die Wende in der Mobilität, stellte er klar, könne nur mit mehr finanziellen Mitteln funktionieren. So, wie die Kommunen in den letzten Jahrzehnten ihren Fokus auf Krankenhäuser und soziale Einrichtungen gerichtet hätten, müsste nun auch die Finanzierung des ÖPNV gedacht werden. Ein lebhafter Austausch mit vielen Fragen der zahlreichen Teilnehmer schloss sich an, bei dem Minister Hermann auch klarstellte: Jeder müsse sich überlegen, wie er die Strecke, die er vor sich habe, zurücklege. „Der ÖPNV funktioniert nur, wenn Ihr ihn auch nutzt!“